Ground study N°4, Nachtzug Wien-Paris // Paris-Rosenheim, 3.4. // 16./17. Juli
- metropa
- 20. Juli
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Es gibt über diese beiden Fahrten eigentlich nichts von Belang zu berichten. Es lief zugtechnisch alles glatt. Gut, beide Richtungen hatten je eine Stunde Verspätung, aber das läßt sich mit der Teilrefundierung der Kosten abfedern. Und die alten ÖBB-Nachtwaggongarnituren sind schon sehr nah an Schlafentzugs-Folter angelehnt. Aber alles andere war eine rundum gute Erfahrung. Vor allem das Zugpersonal verdient in Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Geduld und Kompetenz jedes Lob.
Doch es gibt einen Punkt, den man nicht unerwähnt lassen darf. Er hat mit dem Zug nichts zu tun. Ein politischer Irrsinn, der die positive europäische Erfahrung eines Nachtzugs zunichte macht.
Von Paris weg rollte der Zug ungehindert durch die hochsommerliche Landschaft, erst an der Marne entlang, dann durch Lothringen und das Elsaß. Pünktlich um Mitternacht kam er in Strasbourg an, wo er auch zügig wieder weiterfuhr Richtung Rhein, dem deutsch-französischen Grenzfluss.
Mir sind noch die Szenen von der Hinfahrt in Salzburg/Freilassing in Erinnerung, als die deutsche Grenzpolizei durch den gesamten Zug stapfte und jeden nach seinen Papieren fragte. Aber da war es erst 21 Uhr, da schlief noch niemand, und der Zug war auch nur halb so lang wie jetzt, wo noch der Paris-Berlin-Kurswagen mit dranhängt.
Es ist also ca viertel nach Zwölf, der Zug kommt in Kehl zum Stehen, man hört die Türen rumpeln und die Grenzbeamten der Bundesrepublik in die Waggons steigen. Alle schlafen (außer ich, der aus oben genannten Gründen nicht in den Schlaf finden will), aber nicht mehr lang. Ich warte, bis es auch an unserer Tür klopft. Weil wir eher am Zuganfang sind, dauert das nur knappe 15 Minuten. „Deutsche Polizei, bitte öffnen!“, heißt es dann, ich öffne entnervt vom Schlafmangel und der Frage, warum in aller Welt es an dieser Grenze überhaupt eine Kontrolle gibt.
War da nicht mal was mit Schengen? Europäische Außengrenze? Freizügigkeit?
Ich habe schon bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen (Ground study N°1, Wien-Bukarest), dass man die Passkontrolle durch Abgabe aller Pässe beim Zugpersonal wesentlich eleganter bewältigen könnte. Aber nicht einmal darum geht es mir hier jetzt, sondern ums Prinzip.
Ein internationaler Zug, zumal ein Nachtzug, lebt von der Freizügigkeit (dieses Wort gewinnt in diesem Zusammenhang sogar noch eine doppelte symbolische Bedeutung!), sonst verliert er seinen Sinn, seinen Reiz und seine Qualitäten. Sämtliche Bemühungen der letzten Jahre, dieses totgeglaubte und -gesparte Verkehrsmittel wieder zum Leben zu erwecken und positiv aufzuladen, werden durch die Wiedereinführung der Grenzkontrollen wieder zunichte gemacht.
Eineinhalb geschlagene Stunden steht der Zug in Kehl, bis das Signal zur Weiterfahrt endlich ertönt. Tote, vergeudete Zeit.
Unter den schweren Stiefeln der Grenzer wird die Idee der europäischen Union und Integration totgetrampelt. Dies ist nicht die EU, für die ich eintrete und die ich mir wünsche.
Denn es ist ja nicht so, dass durch lückenlose Grenzkontrollen irgendwas besser wird. Diese aktionistische und sauteure Politik ist ein Einknicken vor den rechtsextremen Parteien, die dadurch die Grenzen des Sag- und Machbaren nur noch weiter verschieben werden (denn man kann es ihnen ohnehin nicht rechtmachen).
Und es ist ein Zeugnis einer verfehlten integrations- und Einwanderungspolitik.
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