top of page

offener Brief an den österr. Finanzminister Markus Marterbauer

  • metropa
  • 23. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Sehr geehrter Herr Dr. Marterbauer,


Sie gelten als exzellenter Volkswirt jenseits eingefahrener Pfade und ideologischer Verengungen. Sie wurden bewusst von der SPÖ in dieses Kabinett geholt, um einerseits das Budget zu sanieren und dies andererseits so sozial und allgemein verträglich wie möglich zu gestalten. Eine Mammutaufgabe, kaum lösbar ohne tiefe Einschnitte und Kritik von allen Seiten. Wir beneiden Sie nicht.

Wir als NGO aus dem Europa- und Verkehrsbereich möchten in einem heiklen Punkt nachfragen:


Wie erklären Sie den Menschen, dass das Klimaticket um insgesamt fast 20% teurer, der sog. „Pendlereuro“ jedoch ums Dreifache erhöht wird?


Mit Verlaub, das ist logisch nicht nachvollziehbar. Es muss gespart werden, das ist klar. Aber warum erhöhen Sie dann eine steuerliche Subvention, die mehrheitlich AutofahrerInnen zugute kommt? Und belasten Menschen mit ökologischem Bewusstsein mit erheblichen Mehrkosten?


Ihre Erklärung laut Budgetrede ist nachzulesen, sie lautet:


Die Abschaffung der Einmalzahlung [des „Klimabonus“] kann […] in der unteren Hälfte durchaus konsumdämpfende Wirkung haben, besonders dort, wo keine Alternativen zum motorisierten Individualverkehr bestehen. Zum Ausgleich erhöht die Bundesregierung den Pendlereuro von 2 auf 6 Euro pro Kilometer und den Negativsteuerzuschlag für Pendlerinnen und Pendler.“


An der gleichen Stelle heißt es:


„Das Klimaticket behalten wir bei. Trotz hoher Kosten. Es stößt auf enorme Nachfrage und begeistert die Menschen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Genau diesen Kulturwandel brauchen wir. Doch wir müssen die Subventionen etwas zurückfahren und den Preis des Klimatickets anpassen.“


Wir sagen: Das ist sowohl Einsparung als auch Subvention an den falschen Stellen. Überspitzt formuliert könnte man sagen, Sie spielen damit die Autopendler gegen jene Pendler aus, die dank des Klimatickets seit 2021 eine einfache und finanziell faire Lösung für ihren Weg zur Arbeit hatten.


Alle fachlichen Expertisen dazu sprechen eine völlig andere Sprache und verlangen genau umgekehrt eine steuerliche Begünstigung alternativer und umweltbewusster Fortbewegung, gerade beim Weg zur Arbeit. Sie fordern den Rückbau der direkten und indirekten Automobil-förderungen und den Ausbau der Bahninfrastruktur zugunsten der Menschen, die ihren Kindern eine klimapolitisch zumutbare Zukunft ermöglichen wollen.


Weiter unten in Ihrer Rede bekennen Sie sich zwar zur Priorität des öffentlichen Verkehrs, gerade auch im ländlich-kleinstädtischen Bereich. Aber gleichzeitig zementieren Sie mit diesen ange-dachten Maßnahmen den Status Quo.


Dabei gilt Österreich seit der Einführung des Klimatickets als Vorreiter in Sachen umwelt-freundlicher Mobilität. Diesen wertvollen Nimbus gefährden Sie zugunsten einer altmodischen Umverteilungspolitik, die nur scheinbar die einkommensschwächeren Schichten unterstützt. Denn eine Anhebung der Absetzbeträge für Pendelkosten kommt vor allem dem motorisierten Individualverkehr zugute. Das ist, mit Verlaub, Politik des 20. Jahrhunderts.

Modern wäre es hingegen, endlich die Kerosin-, Diesel- und Dienstwagenprivilegien anzugehen. Auch mit Tempolimits wären Milliarden an Erhaltungs-, Gesundheit und Sicherheitskosten einzusparen. Warum fordern Sie das nicht? Das wäre nachhaltige Kostensenkung!


Und: nach welcher Rechnung ergibt sich denn eigentlich der Preis des Klimatickets, bzw. warum soll er automatisch steigen, wenn der Staat die Förderungen reduziert? Es hat ja keinen realen Gegenwert (wie ein Einzelfahrschein), sein Preis beruht auf der Schätzung des individuellen jährlichen Bedarfs an öffentlichem Verkehr. Mit anderen Worten, es scheint sehr willkürlich, und es hat den Effekt, dass Sie es den Menschen damit einfach nur schwerer machen, ein Klimaticket zu erhalten – ist das Ihr Ziel und Wunsch? Die 20%-Verteuerung schwächt das Klimaticket massiv und macht zum Luxusgut. Etwas für Besserverdienende. Das ist keine soziale Gestaltung einer Budgetkrise.


Für einen Finanzminister, der die Bedeutung des Klimatickets offenbar erkannt hat, muss es vielmehr das Ziel sein, es zu stärken. Je mehr Menschen es kaufen, desto besser auch für den Staat. Vielleicht bis zu dem Zeitpunkt, wo es sich selbst trägt. Dazu eine Idee: Schaffen Sie ein Belohnungssystem. Die Verlängerung wird mit einem jährlichen Abschlag von einem geringen Prozentbetrag belohnt, was die Leute dazu anregen wird, es wieder und wieder zu erwerben.


Belohnen Sie Menschen für einen Umstieg auf alternative Fortbewegung. Statten Sie die gemein-nützige Infrastruktur mit genügend Mitteln aus. Entziehen Sie dem enorm kostspieligen, gesund-heitsschädlichen und ressourcenvernichtenden Automobilkomplex die Privilegien; sie sind nicht naturgegeben.
Das ist freilich nicht die Politik der SPÖ (und schon gar nicht der ÖVP oder der Neos). Mit Blick auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte müsste sie aber genau das sein. Erkennen Sie die Zeichen der Zeit!


Wir verstehen, dass bei einer Budgetsanierung Dinge teurer und Lasten verteilt werden müssen. Doch dabei hat man durchaus Gestaltungsmöglichkeiten.

Und wir sind sicher, Sie können unsere Argumente nachvollziehen. Dass Sie unter großem Druck stehen und mehrere Begehrlichkeiten befriedigen müssen, ist uns ebenfalls klar. Doch Sie haben als oberster Hüter der Finanzen dieses Landes einen großen Handlungsspielraum und könnten starke Signale setzen.


Mit bestem Dank und Glückwünschen für Ihre Aufgaben,

metropa

Comments


Thank you! The next newsletter will come soon!

©2023

  • Facebook
  • Twitter
  • Instagram
  • LinkedIn
  • Spotify
  • Apple Podcasts

In cooperation / Sponsored by

can.jpg
geistwert_logo_p511.jpg
taz-futurzwei-mittel.jpg
tu_ivp_logo_kurz_rgb_rot.jpg
BFV_Logo_NZ_4c_transparent.png
klimaaktiv_Logo_partner.jpeg

animation made by Brandstaetter Foundation

bottom of page